Unternehmensfortführung (Going-Concern-Prinzip)
Das Prinzip der Unternehmensfortführung, im internationalen Rechnungswesen als Going-Concern-Prinzip bekannt, gehört zu den zentralen Grundsätzen der Bilanzierung. Es besagt, dass ein Unternehmen seine Geschäftstätigkeit in absehbarer Zukunft fortführen wird und keine Absicht oder Notwendigkeit besteht, den Betrieb einzustellen oder abzuwickeln. Diese Annahme bildet die Basis für die Erstellung des Jahresabschlusses, da sie maßgeblich bestimmt, wie Vermögenswerte und Schulden bewertet werden. Nur wenn konkrete Hinweise auf eine drohende Beendigung der Geschäftstätigkeit vorliegen, ist eine Umstellung auf die Bewertung nach Liquidationswerten erforderlich.
Bedeutung für die Bilanzierung
Die Unternehmensfortführung beeinflusst die Bewertung der Vermögens- und Schuldposten grundlegend. Solange die Fortführung als wahrscheinlich gilt, werden Vermögensgegenstände zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten angesetzt und planmäßig über ihre Nutzungsdauer abgeschrieben. Diese Vorgehensweise berücksichtigt die langfristige Nutzung und trägt zu einer realistischen Darstellung der wirtschaftlichen Lage bei. Entfällt die Fortführungsannahme, ist auf Veräußerungs- oder Liquidationswerte umzustellen, die in der Regel niedriger sind. Dadurch reduziert sich das Eigenkapital, was den tatsächlichen Wert des Unternehmens in einer Krisenphase besser widerspiegelt.
Voraussetzungen für die Fortführungsannahme
Die Gültigkeit des Prinzips hängt von der begründeten Erwartung ab, dass das Unternehmen seinen Zahlungsverpflichtungen weiterhin nachkommen kann. Wirtschaftliche Schwierigkeiten wie dauerhafte Verluste, eine sinkende Eigenkapitalquote, mangelnde Liquidität oder rechtliche Verfahren können die Annahme gefährden. Die Geschäftsleitung muss daher regelmäßig prüfen, ob die Fortführung auf Basis aktueller Planungen, Finanzierungszusagen und Marktbedingungen realistisch ist. Diese Einschätzung erfolgt meist für einen Zeitraum von mindestens zwölf Monaten nach dem Bilanzstichtag. Dabei werden interne Faktoren wie Kostenstruktur und Rentabilität ebenso berücksichtigt wie externe Einflüsse, etwa Konjunktur oder Wettbewerbssituation.
Verantwortung der Unternehmensleitung und des Wirtschaftsprüfers
Die Verantwortung für die Beurteilung der Fortführungsfähigkeit liegt bei der Unternehmensleitung. Sie hat mögliche Risiken frühzeitig zu erkennen, dokumentieren und Maßnahmen zur Stabilisierung zu ergreifen. Dazu zählen etwa Restrukturierungsprogramme, Kapitalzuführungen oder neue Kreditvereinbarungen. Der Wirtschaftsprüfer überprüft die Angemessenheit dieser Annahmen kritisch und beurteilt, ob sie nachvollziehbar und ausreichend begründet sind. Bestehen erhebliche Unsicherheiten, ist er verpflichtet, im Prüfungsbericht darauf hinzuweisen oder einen entsprechenden Hinweis im Bestätigungsvermerk zu ergänzen.
Offenlegung bei Risiken
Zeichnen sich ernsthafte Zweifel an der Fortführung des Unternehmens ab, müssen diese im Anhang des Jahresabschlusses erläutert werden. Dabei sind sowohl die Ursachen als auch mögliche Gegenmaßnahmen darzustellen. Typische Warnsignale sind anhaltende Verluste, Liquiditätsprobleme, hohe Verschuldung oder der Verlust wichtiger Geschäftspartner. Diese Offenlegungspflicht dient der Transparenz und ermöglicht es Kapitalgebern, Gläubigern und weiteren Interessengruppen, die wirtschaftliche Lage realistisch einzuschätzen.
Unterschied zur Liquidationsbewertung
Fällt die Annahme der Fortführung endgültig weg, ist eine Bewertung auf Basis der zu erwartenden Liquidationserlöse vorzunehmen. Diese Werte orientieren sich an den erzielbaren Verkaufspreisen der Vermögensgegenstände und an den tatsächlich fälligen Verbindlichkeiten. Der Jahresabschluss spiegelt dann nicht mehr den laufenden Geschäftsbetrieb, sondern den Abwicklungszustand wider.
Das Going-Concern-Prinzip ist somit ein zentrales Element der Bilanzierung, das Vertrauen und Stabilität in die Finanzberichterstattung schafft. Es sorgt dafür, dass die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens realitätsnah und nachvollziehbar dargestellt wird. Gleichzeitig fungiert es als Kontrollmechanismus, der dazu beiträgt, potenzielle Krisen frühzeitig zu erkennen und geeignete Maßnahmen zur Sicherung der Unternehmensfortführung einzuleiten.